Aufruf an die Kirchen – Ökumenische Weggemeinschaft 2011–2017 und ihre Ziele

      1. Der erneut anstehende Besuch des Papstes in Deutschland, seiner Heimat und dem Heimatland der Reformation, weckt die Erwartung, dass lange erbetene Schritte zur Gemeinschaft mit den Reformationskirchen freigegeben werden.
      2. Wir erinnern an die Ökumene der Blutzeugen in Deutschland und Europa, die in der Gemeinsamkeit christlichen Widerstands in der Una Sancta gegen die menschenverachtenden Machtsysteme gestiftet wurde und deren Fortsetzung ein unzerstörbares und unter allen Umständen bleibendes Vermächtnis bedeutet.
      3. Irreversibel sind gewachsene Verbindungen, die nach bleibendem Recht verlangen,
        • zwischen unseren Gemeinden vor Ort,
        • in den caritativ-diakonischen Diensten,
        • in Gemeinsamkeit vieler Formen von Seelsorge und Öffentlichkeitsarbeit,
        • auf evangelischen, katholischen und ökumenischen Kirchentagen,
        • in geistlicher Orientierung, Bibelstudien, Gottesdienst, Gebet, Kommunitäten
        • und angesichts der Mehrzahl von Familien, die die Konfessionen bereits verbinden.
      4. Die gemeinsame Zukunft der Christenheit fordert eine formelle Einigung der Kirchen. Die Nichteinhaltung ihres Versprechens, in der ökumenischen Bewegung Strukturen sichtbarer Einheit zu erarbeiten und zu akzeptieren, würde die schon entstandene Glaubwürdigkeitskrise noch verschärfen. Dies wäre unverantwortlich angesichts der Herausforderungen des Christentums und der Menschheit durch allgegenwärtigen Säkularismus, die sich erhebenden Fundamentalismen in Religionen sowie weltweit durch Gewaltbereitschaft in Politik und Ökonomie bis in die Zivilgesellschaften hinein.
      5. Die theologischen Hindernisse für einen solchen Weg sind beseitigt:
        • die gegenseitigen Lehrverurteilungen des Reformationsjahrhunderts sind großenteils überwunden;
        • die Fragen des kirchlichen Amtes sind auf Weltebene Lösungsmöglichkeiten zugeführt;
        • die theologische Arbeit wird in allen relevanten Disziplinen in ökumenischer Perspektive gemeinsam geleistet.
      6. Im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens, im Credo Apostolicum und Nicaeno-Constantinopolitanum, sind wir frei, die Una Sancta Catholica und Apostolica ungehindert in Gemeinschaft und im Reichtum sich ergänzender Traditionen und Charismen zu leben und Zukunft des Christentums zu gestalten, dem Aufruf Gottes in unserer Zeit und Welt folgend.
      7. Ökumenische Weggemeinschaft 2011-2017 hat Anlass und Ermutigung
        • durch Besinnung auf das II. Vatikanische Konzil: vor 50 Jahren: 1959 ausgerufen durch Papst Johannes XXIII., 1962-1965 durchgeführt in Rom;
        • durch Vergegenwärtigung der 95 Thesen zur Buße der Christenheit: vor 500 Jahren 1517 in Wittenberg in noch ungeteilter Kirche;
        • durch Erinnerung an das gesamt-abendländische Reformkonzil: vor 600 Jahren in Konstanz: die Hussitische Reformation – 1415 das Reform-Dekret „Haec Sancta Synodus“.
      8. Wir fordern allseits auf, im Einklang mit der klassischen Lehre aller Kirchen, in unserem Verhalten dem im Glauben zur Einsicht befreiten Gewissen zu folgen.


      Ökumenischer Gesprächskreis Berlin-Tübingen – Kontakt: richter_kunstdienst@web.de


      Aus: Johann Amos Comenius und das Colloquium Charitativum von Thorn 1645. Ein Beitrag zum Ökumenismus. Siedlce tutajteraz 2013 S. S. 545.